Gefährdung des Handelsvertreterausgleichs bei Eigenkündigung des Agenten wegen Frührente

Für den Handelsvertreter ist der Ausgleichsanspruch für den geworbenen Kundenstamm nicht selten Teil seiner Altersvorsorge, und damit ein kostbares Gut. Sowohl in Deutschland als auch in Italien gilt allerdings, dass der Ausgleichsanspruch dem Handelsvertreter nicht zusteht, wenn nicht der Prinzipal (italienisch gesprochen „preponente“), sondern der Handelsvertreter den Vertrag kündigt. Das gilt nach dem einschlägigen italienischen Gesetzesartikel (1751 Codice Civile) allerdings wiederum nicht, wenn für die Kündigung des Handelsvertreters ein rechtfertigender Grund vorliegt. Hierzu zählen insbesondere das fortgeschrittene Alter, Gebrechen oder Krankheit, wegen derer eine Fortsetzung des Vertrages von ihm vernünftigerweise nicht verlangt werden kann.

Nun schien die italienische Praxis viele Jahre davon auszugehen, dass ein berechtigter und für den Ausgleich unschädlicher Grund für die Kündigung des Handelsvertreterverhältnisses der Bezug einer auch vorgezogenen Altersrente sein konnte.

Diesem Automatismus hat nun aber der italienische Kassationshof mit seiner jüngst veröffentlichten Entscheidung Nr. 17235 vom 15.06.2023 eine Absage erteilt. Demnach ist eine Kündigung wegen Alters regelmäßig nur dann gerechtfertigt, wenn sie bei Erreichen der Regelaltersgrenze erfolgt.

Sofern auf das Handelsvertreterverhältnis eines in Deutschland operierenden Agenten, wie es sehr häufig der Fall ist, kraft vertraglicher Rechtswahl italienisches Recht zur Anwendung kommt, muss man nun diese Entscheidung auf die deutsche Altersversorgung ummünzen.

Die Regelaltersgrenze ist in Deutschland grundsätzlich auf die Vollendung des 67. Lebensjahres angehoben worden (für bestimmte ältere Jahrgänge gibt es allerdings bescheidene Vergünstigungen).

Aus der Logik der Kassationsentscheidung dürfte folgen, dass nur bei einer Eigenkündigung ab Vollendung des 67. Lebensjahres bzw. des für die älteren Jahrgänge relevanten Regelalters, der Verlust des Ausgleichsanspruches einigermaßen sicher vermieden werden kann. Entscheidungen deutscher Gerichte, die sich in deutsch-italienischen Agenturverhältnissen mit der neuen Rechtsprechung des Kassationshofes auseinandersetzen, gibt es – soweit ersichtlich – noch nicht.

Vorsicht ist aber in jedem Fall geboten.

Für diejenigen, die mehrere Vertretungen innehaben, ist besonders wichtig, dass aus Altersgründen alle Mandate aufgegeben werden müssen.

Mit anderen Worten: Wenn man nach Art einer Rosinentheorie ein oder zwei Vertretungen aufrechterhält, kann dies auch den Rechtfertigungsgrund für die Kündigung der anderen Vertretungen in Frage stellen.

Insgesamt empfiehlt sich, mit dem italienischen Unternehmen eine Einigung zu erzielen, die sowohl Beendigungstermin als auch die Sicherung des Ausgleichsanspruchs beinhaltet.

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